Fahrende sollen frei campieren dürfen

18. Februar 2019

Eine neue Studie fordert die Gemeinden auf, Fahrende (bau-) bewilligungsfrei campieren zu lassen.

Rund 3000 Schweizer Jenische und Sinti gibt es noch, die gemäss der Tradition ihrer Völker leben: fahrend, nie lange am selben Ort verweilend. Hinzu kommen über 1000 Roma aus dem Ausland, die während der warmen Jahreszeiten ebenfalls mit ihren Wohnwagen in der Schweiz unterwegs sind. Ihr gemeinsames Hauptproblem: ein Mangel an Halteplätzen, sei es für mehrwöchige Aufenthalte, sei es bloss für zwei oder drei Nächte. In einer neuen Publikation machen der Verband Espace Suisse und die Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende mit Nachdruck auf den «dringenden Handlungs­bedarf» aufmerksam. Gemäss Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der Stiftung, fehlen allein im Winter schweizweit 25 Standplätze, dazu rund 40 Durchgangsplätze für kurze Aufenthalte im Sommer.

Die Autoren der Studie halten es aber insbesondere auch für vordringlich, dass vermehrt sogenannte spontane Halte ermöglicht werden. Gemeint ist das Campen auf einem privaten Grundstück für bis zu vier Wochen, ohne dass dafür eine Genehmigung der Behörden nötig wäre. «Der spontane Halt stellt eine wichtige Alternative zu offiziellen Durchgangsplätzen dar», bilanziert die Studie. Die Voraussetzungen hierfür sollten schon in den kantonalen Richtplänen geschaffen werden. In die Pflicht zu nehmen sind aus Sicht der Autoren indes vor allem die Gemeinden. Sie seien «anzuweisen, den Spontanhalt zu ermöglichen».

Die Spontanhalte sind es wohl in der Tat, die am häufigsten zu Konflikten mit Ortsansässigen führen. In der Gemeinde Wimmis BE zum Beispiel ist grösseren Gruppen von Fahrenden der Spontanhalt seit letztem Jahr ausdrücklich verboten. Wer mit mehr als drei Fahrzeugen oder Zelten aufkreuzt, bedarf fürs Camping neuerdings einer vorgängigen Bewilligung. Der Gemeinderat von Wimmis reagierte damit auf «negative Erfahrungen», die man 2017 mit einer grösseren Gruppe ausländischer Fahrender gemacht habe.

Es sind genau solch restriktive Reglemente, die man bei Espace Suisse im Visier hat. Mehr noch: Barbara Jud, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Verbands, geht davon aus, dass die Wimmiser Beschlüsse mit übergeordnetem Recht kollidierten, dem Diskriminierungsverbot etwa.

«Falls jemand gegen unser Reglement klagt, warten wir ab, was geschieht», entgegnet die Wimmiser Gemeinderatspräsidentin Barbara Josi (SVP). «Hier in der Gemeinde war die Neuerung jedenfalls unbestritten.» Josi hält fest, dass man «nichts gegen Fahrende» habe. «Aber sie müssen sich an dieselben Auflagen wie alle anderen Leute halten.» Die Gruppe von 2017 habe eine «unglaubliche Sauerei» hinterlassen.

Bedürfnisse von Fahrenden sollen in Raumplanung einfliessen

Vorkommnisse und politische Reaktionen ähnlicher Art gaben in den letzten Jahren auch andernorts immer wieder zu reden. Der Widerstand sei auf Gemeindeebene am grössten, konstatiert Daniel Huber, der die Radgenossenschaft der Landstrasse führt. Dabei seien Spontanhalte «eine gute Sache», sagt Huber, der früher selber als Fahrender unterwegs war. «Für den Bauern, der sein Land zur Verfügung stellt, sind sie ein Geschäft, und sie verhindern, dass wir Fahrenden ghettoisiert werden.»

Die Espace-Suisse-Untersuchung führt auch Beispiele auf, die man für nachahmenswert hält. Der Kanton Aargau habe in seinem Richtplan eine «starke Grundlage» geschaffen – etwa durch die Anweisung, das zeitlich beschränkte Halten auf Privatland sei «so weit wie möglich von den Behörden zu tolerieren». Auch der Kanton Zürich unterstreiche in seinem Konzept die Bedeutung des spontanen Halts.

Ganz generell fordert die Studie, die Bedürfnisse der Jenischen stets in die Raumplanung mit einzubeziehen. Es sei «wichtig, die Bevölkerung für die Anliegen der fahrenden Menschen zu sensibilisieren».

18.2.2019/Fabian Renz, Leiter Bundeshausredaktion, Tagesanzeiger/Der Bund