Für die Hälfte der Fahrenden in der Schweiz gibt es keinen Platz

20. Mai 2021

Viel zu wenige Standplätze und viele Vorurteile: Die Autoren einer Studie fordern die Behörden zum Handeln auf, berichtet Radio SRF in der Sendung "heute morgen".

Zum Radiobeitrag auf SRF, Rafael von Matt

Die Situation der fahrenden Jenischen und Sinti in der Schweiz hat sich in den vergangenen Jahren kaum verbessert. Zu diesem Schluss kommt der neueste Bericht der Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende». Sie untersucht alle fünf Jahre, wie viele Standplätze landesweit zur Verfügung stehen.

Aktuell seien 16 dauerhafte Standorte für insgesamt 250 Wohnwagen verfügbar, sagt Studienautor und Geschäftsführer der Stiftung, Simon Röthlisberger. Damit sei der Bedarf der Fahrenden aber bei weitem nicht gedeckt.

«Es bräuchte zusätzlich 50 Durchgangsplätze für den kurzen Aufenthalt im Sommer und zusätzlich 20 bis 30 Standplätze für den Aufenthalt im Winter», so Röthlisberger.

Nur ein zusätzlicher Standort

Für mehrere hundert Wohnwagen fehlt es weiterhin an Platz. In den vergangenen fünf Jahren konnte nur gerade ein zusätzlicher dauerhafter Standort hinzugewonnen werden, wie der Bericht festhält. Zudem seien viele Plätze nicht langfristig zugesichert, so Röthlisberger.

Untersucht hat die Stiftung auch, welche Lebensqualität die Standplätze bieten, an denen sich die Familien der Jenischen und Sinti oft wochen- oder monatelang aufhalten.

Unattraktive Standorte, wo niemand wohnen will

«Das ist dann häufig an einer Hauptstrasse neben einer Abwasserkläranlage, Recycling-Anlage oder oft an Orten, wo sonst wenige Menschen wohnen», sagt Röthlisberger.

Weder die Menge noch die Qualität der Standplätze ist also genügend. Es ist ein altes Problem. Seit Jahren bemühen sich die Jenischen und Sinti um mehr Plätze, doch erreicht haben sie wenig. Einerseits ist der Raum in der Schweiz beschränkt und deshalb sehr begehrt. Andererseits kämpfen die Fahrenden immer noch gegen alte Vorurteile.

Aufforderung an die Behörden zum Handeln

Weil sich wenig tut, fordert die Stiftung die lokalen und kantonalen Behörden auf, sich stärker zu engagieren. Man sehe zwar den politischen Willen die Situation verbessern zu wollen, es gebe aber noch viel Luft nach oben, was den Handlungsbedarf betreffe, meint Röthlisberger.

Er wünscht sich, dass der Minderheitenschutz in Zukunft höher gewichtet wird als bisher. So gebe es in verschiedenen Kantonen der Zentralschweiz, der Romandie und im Tessin gar keine fixen Standplätze für Fahrende.

Weitergehende Information: Seit 2016 eine anerkannte Minderheit

Die Radgenossenschaft der Landstrasse wurde 1975 als Selbstorganisation der Schweizer Minderheit der Fahrenden gegründet. Sie ist die älteste Dachorganisation von Jenischen und Sinti in Europa. Daniel Huber ist deren Präsident. Der Mangel an Plätzen sei sehr prekär: «Wir sind seit 2016 eine anerkannte Minderheit in der Schweiz. Wir sind Jenische und Sinti, die unsere Kultur leben und zeigen. Wir bezahlen die Plätze. Wir wollen sie nicht gratis. Wir sind Schweizerbürger und haben die gleichen Pflichten, aber nicht die gleichen Rechte.»

Es sei die Pflicht von Bund und Kantonen, endlich genügend Plätze für diese Menschen zu schaffen. «Wir sehen immer wieder, dass Gemeinden alle Minderheiten in den gleichen Sack tun, statt Vorurteile abzubauen», kritisiert Huber. «Es wäre sehr wichtig, Jenische und Sinti kennenzulernen. Sie sind Menschen wie Sie und ich, die seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten hier in der Schweiz leben. Es sind und bleiben Schweizer.»