Schulaufgaben werden auf den Plätzen auch einmal im Freien gemacht.

Schule

Text: Fiona Wigger

Den Jenischen und Sinti steht als Minderheiten das Recht zu, ihre eigene Kultur zu pflegen

Zwischen Schulpflicht und nomadischer Kultur

Den Jenischen und Sinti steht als Minderheiten das Recht zu, ihre eigene Kultur zu pflegen. Dazu gehört die nomadische Lebensweise. Gleichzeitig haben ihre Kinder und Jugendlichen das Recht auf eine gute Bildung, Chancengleichheit und einen Schutz vor Diskriminierung. Dazu hat sich die Schweiz in der UNO-Kinderrechtskonvention verpflichtet. Diese Herausforderung gilt es für die Schule, die Eltern und die Kinder zu meistern. 

Tief verankert ist bei vielen Jenischen und Sinti die Überzeugung, dass das Leben «auf der Reise» mit den Eltern die Kinder ganzheitlich bildet und die Schule – als eine Institution der Behörden – nicht zu stark in ihren privaten Bereich hineinwirken soll.

Individuelle Lösungen

So besuchen Kinder von fahrenden Jenischen und Sinti im Winter in jener Gemeinde die Schule, in der sich ihr Winterstandplatz befindet und wo die Familie angemeldet ist. Den Familien ist es erlaubt, von den Frühlingsferien bis zu den Herbstferien ihre nomadische Lebensweise zu pflegen und hierzu die Kinder vom Unterricht befreien zu lassen. Dies bedingt, dass die Eltern mit der Schule eine Vereinbarung treffen, wie der Schulstoff «auf der Reise» dennoch bewältig werden kann. Im Selbststudium widmen sich die Kinder den Unterrichtsunterlagen. Die Aufgaben können per Post zurückgeschickt werden, oder es werden zunehmend auch internetbasierte Kommunikationswege genutzt. 

Die Stadt Bern geht mit den schulpflichtigen Kindern des Standplatzes Buech neue Wege. Das Projekt basiert auf zwei Pfeilern: Einerseits werden mit «Lernen unterwegs» Laptops und eine Fernunterrichtssoftware eingesetzt, um das Lernen während des Reisehalbjahrs zu unterstützen. Im Winterhalbjahr wird andererseits nebst dem Unterricht in den Regelklassen auf Lernateliers gesetzt, die speziell auf die Bedürfnisse der Kinder des Standplatzes ausgerichtet sind und sie auf den Fernunterricht im Sommer vorbereiten.

Die Jenischen, Sinti und Roma wünschen aber auch, dass die Minderheiten mit ihrer Geschichte und Kultur im Schulunterricht thematisiert werden. Hierzu wurden bereits Unterrichtsmaterialien entwickelt, damit alle Schülerinnen und Schüler mehr über die Minderheiten erfahren und Vorurteile abbauen. Die Lehrpersonen sind angehalten, diese Themen in ihrem Unterricht zu behandeln. [verlinken mit FHNW-Materialien].

Um diesen Herausforderungen zu begegnen und die fahrenden Kinder auf eine erfolgreiche Berufstätigkeit vorzubereiten, bedarf es der gemeinsamen Anstrengungen der Kantone, der Gemeinden mit Standplätzen sowie der Schulen, aber auch der Familien mit fahrender Lebensweise.

  • Liégeois, Jean-Pierre: Die schulische Betreuung ethnischer Minderheiten: Das Beispiel der Sinti und Roma. Centre de recherches tsiganes. Berlin 1999.
  • Michel, Iris: Schule: (K)eine Institution für Fahrende? Schweizer Fahrende zwischen Schrändi und Schränze. Arbeitsblatt Nr. 24, Institut für Ethnologie, Universität Bern, Bern 2004. 
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  • Direktion für Bildung, Soziales und Sport der Stadt Bern: 20 Jahre Standplatz für Jenische, Sinti und Roma in Bern-Buech. Erfolge, Herausforderungen und Entwicklungen, Bern 2018.
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