Es gehört zu ihrem Leben, unterwegs zu sein. 2000 bis 3000 Jenische und Sinti pflegen in der Schweiz die Kultur ihrer Vorfahren. Wenn es wärmer wird, fahren sie mit ihren Wohnwagen durchs Land, um zu arbeiten. Im Winter haben sie einen festen Wohnsitz. Für beides braucht es Platz, berichten das St. Galler Tagblatt, die Aargauer Zeitung oder die Luzerner Zeitung.
Und daran, das zeigt ein neuer Bericht, fehlt es nach wie vor - obwohl die Politik sich schon seit längerem auf die Fahne geschrieben hat, das zu ändern. «Der Platzmangel ist nach wie vor gross», sagt Simon Röthlisberger, der Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende. Konkret fehlen 20 bis 30 Standplätze, Plätze also, die sich als Winterquartier eignen. Auch im Sommer ist die Situation prekär, fehlen Dutzende Durchgangsplätze. Sie dienen als Quartier, von denen aus die Fahrenden Kunden besuchen.Viele sind im Handel tätig oder bieten Handwerks- und Reparaturarbeiten an.
Plätze fehlen im Westen, Osten und im Mittelland
Röthlisberger bezeichnet die Situation als «sehr ernüchternd», und das liegt auch daran, dass die fehlenden Plätze ein
Dauerthema sind. Bund, Kantone und Gemeinden haben schon 2015 eine
Arbeitsgruppe gegründet, die sich unter anderem zum Ziel gesetzt hat,
die Nachfrage nach Plätzen bis ins Jahr 2022 zu decken. Allerdings zeigt der neue Standbericht, dass die Schweiz davon nach wie vor weit
entfernt ist. Und es gerade in der Ostund Westschweiz und im Mittelland
an Plätzen fehlt.
Schweizweit ist im Vergleich zu 2015 nur ein
Standplatz dazu gekommen. Es gibt von ihnen nun 16, die insgesamt 248
Stellplätze bieten. Nötig wären laut der Stiftung zwei- bis dreimal so
viele Standplätze. Bei den Durchgangsplätzen ist Lage ähnlich: 38 von
ihnen sind vorhanden, 429 Stellplätze verteilen sich auf sie. Das
bedeutet einerseits immerhin, dass der Abwärtstrend der letzten Jahre
gestoppt und die Zahl der Stellplätze im Vergleich zu 2015 erhöht werden konnte.
Allerdings stehen von den 38 Durchgangsplätzen acht nur provisorisch zur Verfügung - und 14 weitere nur sehr eingeschränkt. Unter dem Strich bleibt eine Lücke von 50 Durchgangsplätzen. Dazu kommen noch zehn fehlende Transitplätze für ausländische Fahrende, Roma meist, deren Präsenz immer wieder zu Konflikten mit Behörden und der lokalen Bevölkerung führt.
Ist der Bund auf dem Holzweg?
Eigentlich ist die
Sache klar: Die Fahrenden in der Schweiz haben Anspruch darauf, ihre
Lebensweise auszuüben zu können und folglich auch darauf, dass ihnen
Halteplätze zur Verfügung stehen.
Zu diesem Schluss kamen
diverse Gerichte, und die Schweiz wird von internationalen
Menschenrechtsgremien seit längerem dafür gerügt, dass Plätze fehlen. So richtig etwas tun will sich dennoch nicht trotz Arbeitsgruppe und
Aktionsplan, trotz dem Ziel, die Nachfrage bis 2022 zu decken. Ist
dieser Weg gescheitert? Die Frage geht an das federführende Bundesamt
für Kultur. Dieses verneint. Der Aktionsplan sei «sicher optimistisch»,
schreibt es, verweist aber auch darauf, dass «einige neue, wichtige
Plätze» geschaffen worden seien in den letzten Jahren.
Daneben
spielt der Bund den Ball an Gemeinden und Kantone weiter: Man helfe zwar mit Geld, «aber die Plätze müssen in den Kantonen beziehungsweise
Gemeinden realisiert werden». Der Stiftungs-Geschäftsführer
Röthlisberger sagt, dass es auch nicht vorwärtsgeht, weil das geeignete
Terrain in vielen Kantonen fehlt. «Und wenn es vorhanden ist, steht der
Platz für die Fahrenden in direkter Konkurrenz mit anderen Nutzungen»,
sagt er. Röthlisberger nimmt daneben auch die kommunalen Behörden in die Pflicht. Sie sollen sich nicht von vornherein gegen einen Platz zu
wehren - und sich stattdessen für mehr Akzeptanz für die Lebensweise der Fahrenden einzusetzen.
Claudia Hametner vom Gemeindeverband
sagt, das Bewusstsein für die Thematik sei in den letzten Jahren
gestiegen -«aber es braucht seine Zeit, bis sich das auch in neu
geschaffenen Plätzen niederschlägt». In der Bevölkerung ist laut einer
Umfrage des Bundes von 2019 die Akzeptanz für die Lebensweise der
Fahrenden hoch. Zwei Drittel finden, die Fahrenden seien Teil der
Schweizer Vielfalt. 56 Prozent sind der Ansicht, dass die Schweiz mehr
für sie tun soll. Und für Schweizer Fahrende befürworten 60 Prozent die
Einrichtung von Standoder Durchgangsplätzen in der eigenen Gemeinde.
Für Simon Röthlisberger ist deshalb klar: «Wo ein Wille ist, findet
sich auch ein Weg.»